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Eisenbahn-Reise von Kapstadt nach Johannesburg
– Reisebericht von Hermann Tofaute
Morgen fahre ich mit dem Zug von Kapstadt nach Durban!" ruft mir Rolf von der Schrägbank des Fitnessstudios „Virgin Active" aus zu - und ohne sein umfangreiches Bauchmuskelprogramm zu unterbrechen fügt der ehemalige Schweizer Intercity-Lokführer hinzu: „Nicht mit dem Blue Train, sondern mit der Economy Classe von Shosholoza" ... und da der in Somerset West lebende Ruheständler weiß, dass auch ich mich für Bahnreisen im südlichen Afrika interessiere, gibt er mir noch den Hinweis mit auf den Weg: „Alle Infos erhältst du im Shosholoza-Büro im Bahnhof Strand. Dort kannst du auch die Buchung vornehmen!" Noch am selben Tag mache ich mich auf den Weg dorthin.
Im kleinen, eigens für das Langstreckennetz der Bahngesellschaft eingerichteten Büro informiert mich die Dame über Zugtypen, Fahrpläne und Preise. Der Bahnreisende hat die Möglichkeit, zwischen der eleganten „Premier Classe" und der einfachen, dafür aber wesentlich preisgünstigeren Variante „Economy Sleeper" auszuwählen.
Vor der endgültigen Buchung gilt es nun noch, meinen späteren Reisebegleiter Peter aus Köln für das Schienenabenteuer zu begeistern. Der Jugendfreund wird wie immer im November eintreffen, um die frühwinterliche Tristesse des Rheinlandes gegen die Annehmlichkeiten der sonnenverwöhnten Kapregion einzutauschen und gleichzeitig das Land ein wenig kennen zu lernen. Es bedarf nur eines kurzen Anrufs nach Köln, dann ist die Sache klar. Wir entscheiden uns dafür, die Strecke Kapstadt - Johannesburg in der komfortablen „Premier Classe" zurückzulegen und für den Abschnitt Johannesburg - Durban den „Economy Sleeper" zu buchen.
Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass es durchaus von Vorteil war, die Reise einige Wochen im Voraus zu buchen, da die „Premier Classe" nur knapp 100 Fahrgäste aufnehmen kann und schnell ausgebucht ist. Nun ist er also gekommen, der Tag der Abreise. Der ausdrücklichen Empfehlung der Bahngesellschaft, sich bereits eine Stunde vor Abfahrt des Zuges einzufinden, sind wir ordnungsgemäß gefolgt und betreten erwartungsvoll die „Premier Classe" Lounge im Hauptbahnhof Kapstadt in der Adderley Street.
Sofort nach Eintreffen wird uns das Reisegepäck vom „Zugbutler“ abgenommen und in das für uns reservierte Abteil gebracht. Nichts soll das stilvolle Ambiente in der Lounge stören. Die Zeit vergeht schnell, es wird Kaffee, Tee und Gebäck angeboten, die bekannten Tageszeitungen liegen aus. Aufmerksam betrachten wir die inzwischen fast vollzählig eingetroffenen Mitreisenden: Kleingruppen, Ehepaare, und eine bunte Mischung aus Generationen und Nationalitäten. Plötzlich verstummt das polyglotte Sprachengewirr. Gerry, der Zugchef, hat sich Gehör verschafft und stellt sich und seine Crew vor, danach stimmt er uns humorvoll auf die Reise ein.
Mit besonderem Nachdruck weist er auf ein exklusiv für die Strecke Kapstadt - Johannesburg aufgelegtes Wellnessangebot hin und stellt auch gleich die Dame vor, bei der dieser Service gebucht werden kann. Die Rede ist von „Armani African Spa Treatment", einer vitalisierenden, entspannenden Ganzkörpermassage. Nun wird es Zeit, das Abteil aufzusuchen. Gespannt machen wir uns mit den anderen Fahrgästen auf den Weg zu dem auf Gleis 24 bereitgestellten dunkelvioletten Komfort-Zug. Peter und ich stellen mit einem Blick fest: Die für uns gebuchten Einzelkabinen sind zwar relativ klein, aber entbehren durchaus nicht eines gewissen Charms. Wohlwollend ruht der Blick auf dem blütenweißen Bademantel, der für jeden Fahrgast bereit liegt. Ein abschließbares Schränkchen für Wertsachen und sonstige Utensilien, ein verstecktes kleines Waschbecken, ein großer Spiegel, das war's dann schon. Jeder Waggon verfügt über eine Gemeinschaftsdusche und mehrere Toiletten, die sich während der gesamten Fahrt in einem blitzblanken Zustand präsentieren.
9.30 Uhr: „Begrüßungs-Umtrunk in der Lounge" - so steht es in dem auf Büttenpapier gedruckten Reiseprogramm, das jeder Fahrgast in seinem Abteil vorfindet. Während ich noch dabei bin, auszupacken, klopft es. Im Türrahmen steht Gerry, der Zugchef. Er lässt es sich nicht nehmen, jeden Gast persönlich zum Sektempfang in die Lounge zu bitten. Dort ergibt sich dann die Möglichkeit, die anderen Fahrgäste ein wenig näher kennen zu lernen. Der kleinen Japanerin ist nicht nach "small talk" zumute. Dutzende Male während des halbstündigen Empfangs drückt sie auf den Auslöser ihrer teuren Spiegelreflexkamera - ob Inventar, Mitreisende oder die vorbeigleitende Landschaft, alles möchte sie „für die Daheimgebliebenen detailgetreu konservieren" lässt sie uns geradezu entschuldigend wissen. Das südafrikanische Ehepaar ist besonders glücklich über die Möglichkeit, dass man den eigenen Pkw mit an Bord nehmen kann. So können die beiden die 1600 km lange Strecke entspannt genießen und am Bestimmungsort dann ausgeruht zu den vorgesehenen Familienbesuchen aufbrechen.
Von den jungen deutschen Touristen, die sich neben dem vorzüglichen „Sparkling Wine" auch hingebungsvoll an den schmackhaften Biltong-Häppchen delektieren, bekommen wir sehr nützliche Hinweise für den späteren Besuch der Drakensberge. Der Mann aus Oslo, der so ziemlich alle Luxuszüge auf der Welt schon bereist hat, findet das Angebot der „Premier Classe" „quite reasonable compared to the fare"... aha, der Preis stimmt also. Die Zeit bis zum Mittagessen verbringe ich damit, mir ein paar Reisenotizen zu machen, während mein Reisebegleiter Peter im Nachbarabteil beharrlich daran arbeitet, das heute sehr knifflige Cape Times Sudoku (Schwierigkeitsgrad fiendish = teuflisch, unmenschlich) zum Abschluss zu bringen. Gegen Mittag klopft es wieder an der Abteiltür. Ein Mitarbeiter des Zuges bittet zum Lunch in den „Dining Car". Wie uns die Speisekarte verrät, gibt es ein dreigängiges Menü. Während der erste Gang aufgetragen wird, kommt der Zug quietschend zum Stehen. Soeben haben wir Worcester erreicht, den von einer spektakulären Bergkulisse umgebenen Ort der Region Breede Valley. Dass es hier einen gepflegten Golfplatz gibt, wo man auch dann noch eine Abschlagszeit bekommt, wenn alle anderen Plätze ausgebucht sind, wird vielen Golftouristen wenigstens vom Hörensagen bekannt sein. Aber dass Worcester mit 25 % der Gesamtproduktion mit Breedekloof, Nuy Valley und Hexriver Valley das größte Weinanbaugebiet von Südafrika ist, wird viele überraschen.
Schade, dass wir keine Gelegenheit haben, das sehr empfehlenswerte Museum von Kleinplasie zu besuchen. Hier wird der Besucher in die Zeit der ersten Siedler in Südafrika versetzt. Als das Dessert aufgetragen wird, erkennt man, wie der Charakter der Landschaft sich inzwischen verändert hat:
Die sattgrünen, im Sonnenlicht glänzenden Weinberge sind kargem, monoton-braunem Buschland gewichen. Wir sind in der Kleinen Karoo. Die meisten Reisenden machen es sich nach dem Essen in ihrem Abteil gemütlich. Einige überbrücken die Zeit bis zum High Tea mit Lesen, andere sind ins Gespräch vertieft, der Rest macht, da draußen keine spektakulären Landschaftsänderungen zu erwarten sind, ein kleines Mittagsschläfchen. Wer möchte, hat um 16.00 Uhr die Wahl, sich Gebäck und Kaffee oder Tee ins Abteil bringen zu lassen oder den High Tea gemeinsam mit anderen Fahrgästen in der Lounge einzunehmen. Wir entscheiden uns für die Gemeinschaftslösung. In der Lounge werden die morgendlichen Gespräche fortgeführt, neue Kontakte geknüpft und Informationen ausgetauscht. Gegen Ende des nachmittäglichen Snacks fährt der Zug in einen weiteren Bahnhof ein: Matjiesfontein ist erreicht. Das karge Dorf am Rande der Karoo wurde 1876 von dem Schotten James Douglas Logan gegründet. Seit seiner Kindheit hatte Logan an einer Lungenkrankheit gelitten, die in dem trockenen Klima der Karoo geheilt wurde. Aus diesem Grunde entschloss er sich, Matjiesfontein zum Kur-und Ferienort auszubauen. 1970 wurde das Karoostädtchen zum „National Historie Monument" erklärt. Viele unserer Mitreisenden nutzen den längeren Aufenthalt, um dem berühmten Lord Milner Hotel unmittelbar gegenüber dem Bahnhof einen Besuch abzustatten. Prominente Gäste wie Cecil Rhodes, Edgar Wallace und Rudyard Kipling haben hier übernachtet. Das Fazit unserer kleinen Besichtigungstour: Das Hotel hat über die Jahrhunderte nichts von seinem alten Viktorianischen Glanz eingebüßt - eine idealer Ort, um die "gute alte Zeit" noch einmal aufleben zu lassen.
Noch beeindruckt von den Zeugnissen des ausgehenden 19. Jahrhunderts besteigen wir unseren Zug, der langsam ruckelnd das geschichtsträchtige Dorf am Rande der Karoo zurücklässt. Bereits gegen 19.00 Uhr, eine Stunde früher als am Kap, schwindet langsam das Tageslicht. Dämmerung breitet sich aus, lässt die Konturen der sanft vorbei gleitenden Landschaft nur noch erahnen. Wir gehen dem kulinarischen Höhepunkt unserer Reise entgegen, einem 5-gängigen Dinner im Speisewagen der „Premier Classe". Nirgendwo in den Reiseunterlagen wird ein besonderer Dress-Code für das Abendessen empfohlen, doch die meisten Reisenden haben den "Freizeitlook" gegen "smart casual" eingetauscht. Erwartungsvolle Gesichter schauen den flink und routiniert sich bewegenden Bedienungskräften beim Auftragen der ersten Vorspeise zu. Um es ganz kurz zu machen: Jeder einzelne Gang war auf das Allerfeinste zubereitet und die Gesamtkomposition in höchstem Maße schmackhaft und einladend. Auch das Weinangebot war bestens sortiert und gut auf die Menufolge abgestimmt. An dieser Stelle muss freilich hinzugefügt werden, dass die zu den Mahlzeiten verzehrten Getränke dem Fahrgast später in Rechnung gestellt werden, während alle Speisen im Fahrpreisenthalten sind.
Inzwischen ist unser Zug in den Bahnhof von Beaufort West eingelaufen. Die älteste Stadt der Zentralkaroo hat kürzlich durch eine besonders originelle Idee auf sich aufmerksam gemacht. Um den akuten Wassermangel zu lindern, hatte die Gemeindeverwaltung alle Besucher und Durchreisenden der heißen Karoo-Zentrale gebeten, wassergefüllte Behälter an den Tankstellen des Ortes zu deponieren. Eine nicht erwartete Welle der Hilfsbereitschaft hat so bereits Hunderttausende Liter Wasser in den trockenen Ort gespült. Wir Zugreisenden können leider keinen entsprechenden Beitrag leisten, denn im Gegensatz zum „Blue Train" und „Rovos Rail" hält unser Zug an Bahnhöfen nur jeweils eine halbe Stunde. Als wir nach dem Abendessen in unser Abteil zurückkehren, finden wir das Nachtlager bereits perfekt vorbereitet. Im Zug kehrt langsam Ruhe ein.
Die Klimaanlage sorgt für eine angenehme Raumtemperatur, und das 375ml-Rotwein-fläschchen „Astana" vom Abendessen tut ein Übriges. Nichts steht einem tiefen Schlaf im Wege, außer dem eintönigen Schaukeln und Ruckeln, den quietschenden Bremsen, dem Halten und Wiederanfahren des Zuges.
Aber ich bin überrascht. Als Zeitgenosse mit einem ansonsten eher unruhigen Schlaf finde ich eine doch insgesamt erquickende Nachtruhe. Die wurde eigentlich nur einmal unterbrochen: Beim Einfahren des Zuges in den Bahnhof Kimberley. Trotz der mitternächtlichen Stunde kommen bei der Lautsprecheransage sofort die bekannten Assoziationen: Big Hole, Cecil Rhodes, Diamanten, De Beers... Am nächsten Morgen habe ich dann die Geschichte des Ortes noch einmal nachgelesen und mich dabei hineinversetzt in die Zeit des Diamantenrauschs, die den Ort für wenige Jahre unendlich reich gemacht hat. Auch das Bild des „kolossalen Strippenziehers" Cecil Rhodes, der dem Kontinent von Kairo bis zum Kap mit Gier und Charisma seinen Stempel aufgedrückt hat und dem Süden Afrikas Grenzen aufgezeichnet hat, die heute noch gelten, tritt wieder lebendiger in mein Bewusstsein.
Der letzte Teil unserer 26stündigen Reise bricht an. Nach dem reichhaltigen Frühstück mit Fruchtsaft, Obst, Müsli und Omelette mit Schinken gilt es, den Rucksack und die Reisetasche zu packen und sich auf die Ankunft in Johannesburg vorzubereiten. Ein letztes Mal steht Zugchef Gerry im Türrahmen und bereitet uns mit den Worten „We are almost there?' auf die baldige Einfahrt in die Millionenmetropole vor. Das Fazit des Schienenabenteuers ist schnell gezogen: Die gute alte Bahn hat uns mitgenommen auf eine interessante, entspannende und kulinarisch anspruchsvoll unterstützte Fahrt. Wir können sie empfehlen.
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